Rückblick auf die 44. Legislaturperiode |
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14. Bildung, Wissenschaft,
Forschung
94.419 |
Parlamentarische Initiative
(Kommission-NR 90.021) 10. AHV-Revision. Verlängerung des Bundesbeschlusses |
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Initiative parlementaire
(Commission-CN 90.021) 10e révision de l'AVS. Prolongation de l'arrêté fédéral |
Bericht: 23.08.1994 (AB 1994 N 1367)
Ausgangslage Der
Bundesbeschluss vom 19. Juni 1992 über Leistungsverbesserungen in der AHV und der IV
sowie ihre Finanzierung (1. Teil der 10. AHV-Revision, siehe oben) ist bis 31. Dezember
1995 befristet. Diese Befristung wurde gewählt, weil 1992 mit einem Inkrafttreten der 10.
AHV-Revision auf den 1. Januar 1996 gerechnet wurde. Der für das Inkrafttreten
vorgesehene Zeitpunkt wird nicht mehr eingehalten werden können. Der Bundesbeschluss vom
19. Juni 1992 ist materieller Bestandteil der 10. AHV-Revision. Die Kommission hält es
daher für gerechtfertigt, ihn auch ohne bundesrätliche Botschaft unverändert um ein
Jahr zu verlängern.
Verhandlungen
NR |
21.09.1994 |
AB 1994, 1367 |
SR |
03.10.1994 |
AB 1994, 981 |
NR / SR |
07.10.1994 |
Schlussabstimmungen (178:0 / 38:0) |
SR |
23.03.1995 |
AB 1995, 409 |
NR |
19.09.1995 |
AB 1995, 1786 |
Beide Räte stimmten der Parlamentarischen Initiative und
damit der Verlängerung des Bundesbeschlusses bis zum 31. Dezember 1996 diskussionslos zu.
Für den 2.Teil der 10. AHV-Revision erarbeitete die nationalrätliche
Kommission einen eigenen Gesetzesentwurf, den sie noch während der Behandlung des
1.Teils vorstellte. Das Modell unterscheidet sich grundsätzlich von dem des Bundesrates,
insbesondere durch den Systemwechsel zum individuellen, zivilstandsunabhängigen
Rentenanspruch (Splitting). Damit der verheiratete Partner ohne Erwerbseinkommen dennoch
auf adäquates rentenbildendes Einkommen kommt, werden ihm jährlich Erziehungs- oder
Pflegegutschriften in der dreifachen Höhe einer Minimalrente gutgeschrieben. Die
Kommission sprach sich auch für eine neue Rentenformel aus. Anstatt 45% sollen 60% der
AHV-Rentner Anspruch auf eine Maximalrente haben. Am umstrittensten war die Festsetzung
des Rentenalters. Die Kommission schlägt vor, dass es für Männer bei 65 Jahren bleibt
und für Frauen in zwei Schritten auf 64 Jahre erhöht wird. Insgesamt sind mit
Zusatzkosten von 900 Millionen Franken zu rechnen.
Bundesrat Cotti sprach sich nun ebenfalls für die
Einführung des Splittings bereits bei der 10. AHV-Revision aus.
10. AHV-Revision (2. Teil)
10e révision de l'AVS (2e partie)
Bericht der Kommission: AB 1993 N 207
SR |
19.-21.03.1991 |
AB 1991, 232 (siehe Legislaturrückbl. 1987-91,
S.215) |
NR |
09.-11.03.1993 |
AB 1993, 207 |
SR |
08./09.06.1994 |
AB 1994, 546 |
NR |
21.09.1994 |
AB 1994, 1342 |
SR |
03.10.1994 |
AB 1994, 979 |
NR |
04.10.1994 |
AB 1994, 1676 |
SR / NR |
07.10.1994 |
Schlussabstimmungen (37:2 / 138:27) |
Die Vorlage wurde in beiden Räten kontrovers und detailliert
diskutiert, was sich auch an den rund 250 Druckseiten im Amtlichen Bulletin ablesen
lässt. Die Vorschläge der Kommission überzeugten in fast allen Fragen auch die Mehrheit
des Nationalrates. Vier Rückweisungsanträge, die namentlich eine
Kostenneutralität anstrebten, wurden zu Beginn der Beratungen deutlich verworfen. Zu
reden gab die Plafonierung der beiden Einzelrenten von Ehepaaren auf 150% der einfachen
Altersrente. Obwohl eine Benachteiligung der Ehe erkannt wurde, beschloss der Rat aus
finanziellen Überlegungen daran festzuhalten. Am meisten kritisiert wurde der
Kommissionsvorschlag zur Erhöhung des Frauenrentenalters. Eine ganze Reihe von
Minderheitsanträgen schlugen verschieden Varianten vor: vom gleichen Rentenalter 65 für
Mann und Frau bis zur Ruhestandsrente ab 62. Für die Erhöhung des Rentenalters wurde
geltend gemacht, dass mit der 10. AHV-Revision die Gleichstellung der Frauen in anderen
Belangen verwirklicht werde. Die Massnahme sei auch als Beitrag an die höheren Kosten zu
werten, die im nächsten Jahrtausend auf die AHV zukämen. Auch hier entsprach die
Ratsmehrheit der Kommissionsmehrheit mit 101 gegen 68 Stimmen und beschloss damit die
schrittweise Einführung des AHV-Alters 64 für Frauen (dies geschah am gleichen Tag, an
dem eine Frau in den Bundesrat gewählt wurde). SP, Grüne und PdA kündigten ihren
Widerstand gegen diesen Entscheid an. Beim AHV-Beitrag der Selbständigerwerbenden wich
der Rat vom Antrag der Kommission ab: statt 8,1% sollen sie nur 7,8% bezahlen.
Selbständigerwerbende müssten allein für ihre Altersvorsorge aufkommen, und die
Motivation für die Gründung eines Unternehmens dürfe nicht gemindert werden, hielten
die Gegner der Erhöhung fest. In der Gesamtabstimmung wurde der Revision mit 92 zu 22
zugestimmt.
Weil die ständerätliche Kommission die von der CVP neu
vorgeschlagene Einheitsrente genau prüfte, zog sich die Differenzbereinigung der Vorlage
um ein weiteres Jahr in die Länge. Ein Gutachten des Bundesamtes für Sozialversicherung
prognostizierte für das Modell Einheitsrente Mehrkosten in der Höhe von rund vier
Milliarden Franken. Zudem hätte der Wechsel zur Einheitsrente die 10. AHV-Revision um
Jahre verzögert. Auf Antrag seiner Kommission beschloss der Ständerat einstimmig
sich dem vom Nationalrat vorgeschlagenen Splitting-Modell anzuschliessen. Am meisten zu
reden gab die Erhöhung der Frauenrentenalters. Neben der langfristigen Verbesserung der
Finanzlage der AHV führte Kommissionsprecher Kündig (C, ZG) an, die Rentendauer der
Frauen sei länger als diejenige der Männer und die von den Gegnerinnen und Gegnern der
Heraufsetzung angeführte Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen von 30% gehöre
der Geschichte an; wissenschaftliche Studien belegten, dass diese Differenz noch 8% bis
13% betrage. Auf der anderen Seite wehrte sich Josi Meier (C, LU) gegen die Erhöhung des
Frauenrentenalters. Ein Rentenjahr für Männer koste nach wie vor doppelt so viel wie ein
Rentenjahr für die Frauen. Nichts könne schlagender beweisen, dass man noch meilenweit
von einer Lohngleichheit entfernt sei. Volk und Stände hätten einem
Mehrwert-Steuerprozent zur Deckung von Demographielücken grundsätzlich schon zugestimmt.
Splitting und Betreuungsgutschriften seien kein Geschenk, wie oft gesagt werde, sondern
eine an sich längst fällige Anerkennung von unverzichtbaren Tätigkeiten im Interesse
der ganzen Gesellschaft. Mit 31 gegen 10 Stimmen sprach sich auch der Ständerat für die
Erhöhung des Frauenrentenalters aus. "Abgefedert" wurde dieser Beschluss mit
einer vorübergehend schwächeren Rentenkürzung für Frauen, welche zwischen dem fünften
und dreizehnten Jahr nach Inkrafttreten der 10. AHV-Revision vom Rentenvorbezug Gebrauch
machen. Im Unterschied zum Nationalrat beschloss der Ständerat eine andere Rentenformel.
Damit wollte man eine Ungleichbehandlung von Alt- und Neurentnerinnen und -rentnern
verhindern. Gleichzeitig werde eine Besserstellung von Konkubinatspaaren gegenüber
Ehepaaren vermieden.
Ein Kompromissvorschlag bei der Abfederung der
Rentenaltererhöhung, der in den letzten fünf Jahren vor Rentenbezug berufstätige Frauen
besserstellen wollte, fand in der nationalrätlichen Kommission noch eine Mehrheit, nicht
jedoch im Plenum des Nationalrates. Die grosse Kammer folgte hier der kleinen Kammer. Die
weiteren Artikel, die in der Differenzbereinigung noch geklärt werden mussten, betrafen
politisch weniger umstrittene Fragen.
Der Ständerat lehnte eine Abtrennung der Frage des
Rentenalters vom Rest der Vorlage mit 32 zu 5 und der Nationalrat mit 106 gegen 68 Stimmen
ab. Einige Gegnerinnen und Gegner des erhöhten Frauenrentenalters kündigten ein
Referendum an. Andere befürchteten den Verlust positiver Errungenschaften und fassten den
Weg über eine Volksinitiative ins Auge, welche die Erhöhung des Rentenalters wieder
rückgängig machen soll.
In der Folge wurde von gewerkschaftlicher Seite das
Referendum ergriffen, um die Erhöhung des Rentenalters für Frauen zu verhindern. In der
Volksabstimmung vom 25. Juni 1995 wurde die 10. AHV-Revision mit 60,7 % angenommen (siehe
Anhang G).
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